Tom Reichstein – Spring Broke



Nach kalten, dunklen Wintern wirkt der Frühling oft wie ein zartes Versprechen, eine Vorahnung auf Sommer, Sonne und Fröhlichkeit. Doch was, wenn die ersten Frühlingslichter auf etwas treffen, dass wir lieber nicht gesehen hätten?

Die Galerie Tom Reichstein liegt im Oberhafen Hamburg und fungiert als eine Art Hybrid aus Ausstellungsraum, Atelier und Institution. In erster Linie zeigt sie internationale Positionen zeitgenössischer Kunst mit einem klaren Fokus auf Themen direkt aus dem Hier und Jetzt – ganz ohne sich an vorgegebenen oder vorgelebten Meinungen zu orientieren.

Spring Broke ist eine Ausstellung, die genau in diese Kerbe schlägt. Auf der eine Seite erzählt sie vom Frühling, vom Erwachen und der Hoffnung. Auf der anderen zeichnet sie ein Bild davon, welchen Dingen wir bei diesem Erwachen gegenüberstehen. Zu sehen sind die unterschiedlichsten Künstlerinnen und Künstler, darunter längst etablierte Positionen großer Namen wie Alfred Sisley, der in seinen impressionistischen Landschaften den Versuch wagte, Schönheit in ökonomisch schwierigen Zeiten einzufangen. Oder aber Max Ernst, der seine Werke zwischen zwei Weltkriegen schuf: Obwohl sie also quasi aus den Trümmern in einer Art Frühling und Widerauferstehung entstanden, schwebt über ihnen schon der Schatten der nächsten dunklen Zeit.

Spring Broke 04courtesy of the artists and TOM REICHSTEIN contemporary

Spring Broke 07 courtesy of the artists and TOM REICHSTEIN contemporary

Diesen großen Namen der zeitgenössischen Kunst stehen gänzlich neue, junge Positionen gegenüber: Darunter Hannah Bohnen, die 1989 in Duisburg geboren wurde und deren Skulpturen, Oberflächen und Installationen sich in erster Linie mit Bewegung auseinandersetzen – Bewegung, die ganz zufällig, oft unbemerkbar und manchmal unsicher im alltäglichen Leben passiert. Sie verleiht dem Flüchtigen eine Art von Beständigkeit und schafft es, Vergängliches zu etwas Dauerhaftem zu machen.

Chenxi Zhong hingegen ist Jahrgang 1993 und lebt in Hamburg. Ihr Schwerpunkt liegt vor allem auf Installationen aus Holz, Stahl, Porzellan und Glas, die sie miteinander kombiniert und in die sie ihre Erfahrung als chinesische Migrantin und ihre Arbeit in einem ethnologischen Museum einfließen lässt. Ihre Werke stellen Fragen wie: Wo stehen wir als moderne Menschen in der globalen Welt?

Die dritte Gruppierung der Ausstellung bilden Künstler und Künstlerinnen aus dem Galerieprogramm, die sich in der Vergangenheit schon mehrfach beweisen durften. Dazu gehört unter anderem Naho Kawabe aus Japan, die mittlerweile in Hamburg lebt und arbeitet. Ein immer wiederkehrendes Element in ihren Arbeiten ist die Kohle, mit denen sie auch die in Spring Broke ausgestellten Figuren gefertigt hat. Angerichtet wie ein gleich serviertes Essen wachsen ihre kleinen Skulpturen aus Tellern und Tassen hervor, pechschwarz und sehr fragil.

Als große Group Show vereint Spring Broke starke Kontraste miteinander und stellt vor allem eine wichtige Frage: Wie gelingt es uns, weiterzumachen, wenn all die Brüche und Verluste durch das Licht des aufkeimenden Frühlings auf einmal deutlich werden?


Spring Broke
15. April – 17. Mai 2025

Tom Reichstein | Stockmeyerstr. 41 | 20457 Hamburg
Mittwoch bis Freitag 15-18 Uhr


Julia Mähl

Julia Mähl ist freie Journalistin und Fotografin und in den Bereichen Kunst, Theater und Stadtgeschehen zuhause. Die Wahl-Hamburgerin liebt das Schreiben – vor allem, wenn man dabei neue Dinge und Menschen kennenlernen kann. Sie hat ein Faible für gute Bars und Restaurants und ist immer bereit für das nächste Abenteuer. 

www.juliamaehl.de

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