Minjung Kim – Traces of Silence in der Galerie Commeter


Minjung Kim Vuoto nel pieno © Galerie Commeter


Das künstlerische Schaffen von Minjung Kim wurzelt tief in der Kalligraphie. Nach ihrer Ausbildung zur Kalligraphin ist die Koreanerin dieser ursprünglichen Linie stets treu geblieben, auch wenn ihre Ausdrucksform über die Jahre eine subtile Wandlung erfahren hat.

Ihre zentralen Arbeitsmaterialien sind das hauchfeine, langfaserige Hanji Maulbeerpapier und asiatische Tusche in vielfältigen Farbschattierungen. Bemerkenswert ist dabei ihr komplexer Arbeitsprozess: Die Bilder entstehen keineswegs in einem linearen Arbeitsgang. Stattdessen sind es unterschiedliche, ineinandergreifende Schritte vom Einfärben des Papiers über das präzise Ausschneiden einzelner Elemente bis hin zum kontrollierten Anbrennen des Materials.

Minjung Kim Timeless © Galerie Commeter

Um die komplexe Bildstruktur und die zugrunde liegenden Inspirationen von Minjung Kims Werken zu entschlüsseln, hilft Galeristin Carola Persiehl von der Galerie Commeter weiter.

„Nehmen wir das Werk The Street. Hierfür hat die Künstlerin selbst eingefärbtes Papier in Streifen geschnitten, die Kanten angebrannt und anschließend zu einer Kollage übereinandergefügt“, erklärt die Galeristin. „Die Inspiration fand sie in Vietnam, als sie aus einem Fenster auf die Straße blickte und die vielen Menschen mit ihren Kegelhüten sah. Dies lieferte den Titel für das Bild.“

Obwohl die Arbeiten von Minjung Kim auf den ersten Blick oft abstrakt erscheinen , verbirgt sich meist hinter ihnen eine gegenständliche Assoziation. Dies zeigt sich auch in der Arbeit Story. Hier wurden die Papiere teils mit grauer Farbe eingefärbt, teils naturbelassen belassen. In beiden Fällen wurden jedoch die Kanten angebrannt und übereinander kollagiert. „Hier wird der doppelte Effekt besonders deutlich, der entsteht, wenn die Künstlerin helleres Papier über dunkleres legt“, so Carola Persiehl. „Der Titel Story rührt daher, dass sie sich von einem Bücherregal und den verschiedenen Buchrücken inspirieren ließ, was sie in ihrer Arbeit allerdings dynamisch weiterentwickelt hat.“

Minjung Kim The Street © Galerie Commeter

Eine weitere Besonderheit der Künstlerin und ihrer Bilder liegt in der Schichtung. Obwohl sie oft mehrere Lagen übereinanderlegt – in der Reihe Vuoto nel pieno (übersetzt: Die Leere in der Fülle) sind es sogar elf Schichten – ist dies kaum sichtbar. Das Hanji Maulbeerpapier ist so fein, dass sich die einzelnen Blätter nahtlos überlagern, ohne aufzutragen. Lediglich ein subtiles Durchscheinen verrät die Existenz weiterer Ebenen. „Diese besondere Dreidimensionalität, die von ihren Bildern ausgeht, lässt sich weder auf dem Bildschirm noch in gedruckter Form erfassen“, gibt Carola Persiehl zu bedenken. „Man muss ihre Werke im Original erleben, um ihre volle Wirkung zu begreifen.“

Nicht zu übersehen sind auch die starken Bezüge zur asiatischen Kunst und Kultur, die sich in vielen Werken Minjung Kims wiederfinden. Ihre Roten Berge etwa sind reine Tuschearbeiten und erinnern spontan an die klassischen, in der asiatischen Malerei und Fotografie oft dargestellten Berge mit Nebeltälern. Doch bei Minjung Kims Interpretation gibt es einen entscheidenden Unterschied: „Das eigentliche Ziel der Künstlerin war es, das Geräusch der Wellen zu malen“, erläutert Carola Persiehl. „So saß sie eines Tages in Sorrent, Italien, blickte auf das Meer, erfasste dessen Wellenbewegung und den Klang im Ohr, während sie gleichzeitig das Hinterland mit seinen Bergen wahrnahm.“ Deshalb sind die Roten Berge, wie auch ihre Pendants in Blau oder Grau, eine umfassende Synthese: Sie sind Berge, Wellenberge und Klänge zugleich. Die Künstlerin nennt sie Sound Waves.

Manchmal jedoch, wenn ein Bild nicht nach Plan funktioniert,etwa weil das Papier verunreinigt oder ungleichmäßig geschöpft ist und die Farbe nicht wie gewünscht verläuft, bricht die Künstlerin ihre Arbeit ab. Allerdings wirft sie nichts davon weg, denn Minjung Kim arbeitet ausgesprochen nachhaltig. Das Bild Timeless, das im Schaufenster der Galerie hängt, sollte ursprünglich Teil der Reihe Graue Berge werden. Als es nicht funktionierte, schnitt sie es stattdessen in Streifen und nutzte das graue Papier für ein völlig neues Werk.


Traces of Silence – Minjung Kim
2. Oktober – 22. November 2025

Galerie Commeter | Bergstr. 11 | 20095 Hamburg
Mittwoch – Freitag 11-18 Uhr, Samstag 11-16 Uhr


Julia Mähl

Julia Mähl ist freie Journalistin und Fotografin und in den Bereichen Kunst, Theater und Stadtgeschehen zuhause. Die Wahl-Hamburgerin liebt das Schreiben – vor allem, wenn man dabei neue Dinge und Menschen kennenlernen kann. Sie hat ein Faible für gute Bars und Restaurants und ist immer bereit für das nächste Abenteuer. 

www.juliamaehl.de

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