Marie Antoinette Style - Schönheit, Macht und Mythos


Kate Moss, Fashion: Sarah Burton for Alexander McQueen, Van Cleef & Arpels, and Julian d'Ys, The Ritz, Paris 2012. [photographs of Kate Moss at the Paris Ritz for Vogue US April 2012 issue] © Tim Walker


Ihre Sympathien beim Volk hatte Königin Marie-Antoinette spätestens 1789 verspielt. Die Mode- und Kunstwelt ist jedoch nachhaltig von ihr fasziniert. Das Victoria and Albert Museum South Kensington setzt sich nun in einer große Ausstellung umfassend mit der französischen Königin und ihrem nachhaltigen Einfluss auf Mode und Design auseinander. Die Besucher erwartet eine faszinierende Reise durch 250 Jahre Stilgeschichte, inszeniert mit einer Fülle an Originalobjekten, sinnlichen Erlebnissen und einem tiefgreifenden Blick auf die komplexe Persönlichkeit Marie Antoinettes.

Die Ausstellung vereint rund 250 Objekte, darunter herausragende Leihgaben aus dem Château de Versailles, die erstmals außerhalb Frankreichs gezeigt werden. Neben historischen Kleidungsstücken und persönlichen Gegenständen der Königin werden aufwendige audiovisuelle Installationen sowie immersive Präsentationen gezeigt, die den Mythos und die Realität dieser einzigartigen Frau erfahrbar machen. Ihre mit Stickereien verzierten Fragmente höfischer Roben, ihre seidigen Hausschuhe, Schmuckstücke aus ihrem Besitz und sogar ihr persönliches Tafelgeschirr aus dem Petit Trianon geben einen intimen Einblick in das Leben am Hofe von Versailles.

Portrait of Marie Antoinette, Queen of France, in a court dress. Oil painting by François Hubert Drouais, 1773 © Victoria and Albert Museum, London

Dress, 'robe de style', white organza with artificial flowers, France © Victoria and Albert Museum, London

Dabei bleibt es jedoch nicht bei der historischen Betrachtung. Die Schau widmet sich ebenso dem kulturellen Nachleben ihres Stils, das von der Romantik des 19. Jahrhunderts bis hin zur Popkultur der Gegenwart reicht. Designer wie Vivienne Westwood, Dior, Chanel, Valentino oder Erdem lassen sich bis heute von der Ästhetik inspirieren, die Marie Antoinette einst erschuf.

Auch der Film hat ihren Stil aufgegriffen und neu interpretiert. Ein besonderes Highlight der Ausstellung sind daher die Originalkostüme und Schuhe, die Manolo Blahnik für Sofia Coppolas oscarprämierten Film Marie Antoinette entwarf. Diese filmische Vision einer dekadenten Jugend, verkörpert von Kirsten Dunst, hat eine ganze Generation neu für das Thema begeistert.

Film still from Sofia Coppola's Marie Antoinette. Photo courtesy of I WANT CANDY LLC. and Zoetrope Corp

Design for Tourzel Habsburg, 2005

Die Ausstellungsrundgang beginnt mit dem Jahr 1770 und erzählt die Geschichte der jungen österreichischen Erzherzogin, die als Königin von Frankreich durch ihren Geschmack, ihren Mut zur Extravaganz und ihre Freude an Mode und Kunst ein ganzes Zeitalter prägte. Möbelstücke, Porzellan, Musikinstrumente und Schmuckstücke aus dieser Zeit zeugen von ihrem Einfluss auf die höfische Kultur. Auch ihr Interesse an den Idealen der Aufklärung, ihre Rolle als Mutter und ihr Faible für neue Technologien werden beleuchtet. Ein weiterer faszinierender Aspekt ist die Entzauberung der berühmten „Let them eat cake“ Legende, die Marie Antoinette fälschlich zugeschrieben wurde und bis heute ihr Image prägt.

Ein weiteres bedeutendes Exponat ist eine Replik der sagenumwobenen Boehmer und Bassenge Diamanthalskette, die im Zentrum der sogenannten Halsbandaffäre stand. Dieses Schmuckstück, das nie von der Königin getragen wurde, trug dennoch maßgeblich zu ihrer öffentlichen Demontage bei. Die Geschichte dieser Affäre steht sinnbildlich für die Mythenbildung rund um Marie Antoinette, die im Laufe der Jahrhunderte romantisiert, dämonisiert und immer wieder neu interpretiert wurde.

The Sutherland Diamonds, comprising diamond necklace with two additional diamond-set sections. © Victoria and Albert Museum, London

Bracelet clasps, France, Gold with brilliant cut diamonds, central plaques of blue paste (glass). © Victoria and Albert Museum, London

Im weiteren Verlauf der Ausstellung wird der Blick auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gelenkt, als unter dem Einfluss von Kaiserin Eugénie eine regelrechte Marie Antoinette Renaissance entstand. Ihre Ästhetik wurde zum Inbegriff französischer Eleganz und zum Vorbild für das Interieur in britischen und amerikanischen Salons. Aufwendige Kostüme, Fotografien und frühe Sammlerstücke dokumentieren diese Phase intensiver Rezeption und idealisierender Erinnerungskultur.

Der folgende Abschnitt zeigt, wie sich Marie Antoinettes Bild gegen Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend ins Fantastische und Märchenhafte verwandelte. Ihr Stil wurde in den Art Nouveau und Art Déco Epochen zum Synonym für Schönheit, Eskapismus und dekadente Sinnlichkeit. Kleider von Jeanne Lanvin, zarte Illustrationen von Erté und Barbier sowie elegante Abendmode veranschaulichen diese Phase.

Den Abschluss bildet die Auseinandersetzung mit der modernen und zeitgenössischen Wiederentdeckung der Königin in Kunst, Mode und Popkultur. Ob in Modefotografien von Tim Walker, modernen Couture Kollektionen oder Musikvideos – Marie Antoinette ist eine museale Muse geblieben. Auch zeitgenössische Künstler wie Beth Katleman und Victor Glemaud setzen sich in eigenen Arbeiten mit der bleibenden Faszination dieser außergewöhnlichen Frau auseinander.

Kuratorin Sarah Grant bringt es auf den Punkt wenn sie sagt, dass Marie Antoinette bis heute als glamouröseste und zugleich umstrittenste Königin der Geschichte fasziniert. Ihre Fähigkeit durch Stil und Persönlichkeit zu polarisieren hat sie über die Jahrhunderte zu einer kulturellen Ikone gemacht. Die Ausstellung Marie Antoinette Style ist somit nicht nur eine ästhetische Offenbarung sondern auch eine kulturhistorische Reflexion über Ruhm, Macht, Weiblichkeit und das bleibende Vermächtnis eines Lebens zwischen Pracht und Tragödie.


Marie Antoinette Style
20. September 2025 bis 22. März 2026

Victoria and Albert Museum South Kensington / Cromwell Road /London, SW7 2RL
Täglich 10-18 Uhr


Anne Harting

Chefredakteurin und Herausgeberin

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