Lichtblicke - More flowers for the dark times
Wenn die Welt kompliziert wird, wenn die Nachrichten düster erscheinen und der Alltag nach einer Pause verlangt, braucht es einen emotionalen Gegenentwurf. Einen Lichtblick, der die Sinne wachküsst und uns für einen Moment auf eine innere, magische Insel entführt. Wer diese emotionalen Koordinaten mittels der Kunst bestens übersetzen kann, ist Andrea von Goetz. Sie liefert stets, wie bereits im vergangenen Jahr mit Beam me up to the Magic oder Melancholie in der Berliner The map Gallery, die dringend benötigten Sehnsuchtsorte am grauen Winterhimmel. Die gute Nachricht: Das gelingt ihr auch jetzt wieder.
Mit einem untrüglichen Gespür für Talente präsentiert sie mit ihrem 2016 gegründeten Collectors Room Hamburg in Kooperation mit der Galerie Carolyn Heinz nun eine Ausstellung, deren Titel selbst eine Art Poesie ist: More flowers for the dark times. Im Zentrum der Ausstellung stehen mit Arbeiten von Gabriele Graessle, Peter Nikolaus Heikenwälder und Miriam Zadil drei künstlerische Positionen, die der Dunkelheit mit unterschiedlichen Strategien begegnen und doch alle die schöpferische Kraft des Unkonventionellen feiern.
Gabriele Graessle, die in Andalusien beheimatete Schweizer Künstlerin, setzt dem Dunkel eine farbintensive Spielwiese entgegen. Ihr Werk ist geprägt von einer großen Portion Leidenschaft für das Alltägliche und einem nahezu exzessiven Beleuchten ihrer aktuell relevanten Themenfelder. Für die Ausstellung hat sie eine Serie von Vasen geschaffen, in der sich ihr Ansatz der bewussten Rückkehr zur schöpferischen Freiheit verdichtet. Es entsteht ein poetischer Dialog, der die kindliche Blumenwiese mit der ornamentalen Strenge der Ming Dynastie verbindet und zugleich von der verspielten Ästhetik der Popkultur durchdrungen wird. Graessles Spontaneität wird hier zur sinnlichen Reflexion über Erinnerung, Form und Farbe.
Einen starken Kontrapunkt bildet Peter Nikolaus Heikenwälder, dessen Werke sich klaren Zuordnungen bewusst entziehen. Aus der Dunkelheit tauchen vage Formen auf, die an technische Strukturen oder organische Gebilde erinnern, ohne sich jemals eindeutig festlegen zu lassen. Lediglich rautenförmige Elemente, die konzentrisch um helle wolkige Puschel angeordnet sind, erinnern entfernt an Blüten. Doch diese Anmutungen sind brüchig. Heikenwälder interessiert sich nicht für die Darstellung der Wirklichkeit, sondern für die Prozesse der Wahrnehmung selbst. Seine Bilder sind eine Aufforderung, gewohnte Deutungsmuster zu lösen und allein der eigenen Vorstellungskraft zu vertrauen. In seinem dunklen Reich erschließen sich Zusammenhänge, die dem verstandesmäßigen Zugriff verschlossen bleiben.
Miriam Zadil überbrückt diese Pole mit ihrem ganz eigenen Universum, indem sie dem Dunkel das Schräge, Bunte und Poetische entgegensetzt. Ihre sogenannten Blumengeister wirken wie Masken aus fremden Kulturen, halb Pflanze, halb Figur, irgendwo zwischen Ritual und Traum. Jeder dieser kleinen Geister besitzt einen eigenen Charakter und erzählt von inneren Bildern, Emotionen und Erinnerungen. Zadil schöpft aus vielfältigen Bildwelten, kombiniert sie unkonventionell und überzeichnet sie spielerisch, um eine ganz eigene Symbolik zu erschaffen, die gleichzeitig fremd und vertraut wirkt. Ihre Arbeiten sind humorvoll und abgründig, zart und irritierend und öffnen damit Räume für Vieldeutigkeit und emotionale Resonanz.
Die von The Collectors Room und der Galerie Carolyn Heinz initiierte gemeinschaftliche Ausstellung liefert somit mehr als nur einen floristischen Trost. Sie erinnert zugleich auch ein wenig an die Glühwürmchen im legendären Essay von Pier Paolo Pasolini, deren Magie ihrer Lichtpunkte von unserer Welt verschluckt wurde. Hier sind sie wieder zu sehen.
More flowers for the dark times
Collectors Room Hamburg & Galerie Carolyn Heinz
28. November bis 17. Dezember 2025
Galerie Carolyn Heinz / Klosterwall 13 / 20095 Hamburg
Dienstag bis Freitag 14-18 Uhr, Samstag 12-16 Uhr