Kai Harada – Die Momente zwischen den Dingen

© Mikiko Sato Gallery

Linien, wohin man auch blickt. Mal im großen Format, mal im kleinen, mal dick und dann wieder ganz fein. Sie sind der Dreh- und Angelpunkt des in Tokio lebenden Künstlers Kai Harada, sein wichtigstes Stilmittel und sein Wiedererkennungsmerkmal. Er, der an der Tokyo University of the Arts studierte, benutzt sie, um Räume und Landschaften zu erschaffen. Mit ihnen gestaltet er eine Tiefe, für die es keine großen Gesten und keine kräftigen Farben braucht.

In der Mikiko Sato Gallery sind aktuell verschiedene Werke des japanischen Künstlers zu sehen. Es ist das erste Mal, dass er in Deutschland ausstellt, denn seine Arbeiten wurden bisher nur in Japan gezeigt. Der Titel der Ausstellung Awai, was unter anderem so viel wie „Zwischenraum“ oder „Lücke“ bedeuten kann, steht für die Räume, die Kai Harada in seinen Bildern schafft.

Es sind Momente zwischen den Dingen, zwischen den Zeiten. Sie beschreiben eine unbestimmte Atmosphäre, in der die Grenzen zwischen Mensch und Natur verschwimmen. Besonders gut zu sehen ist das unter anderem in seiner Arbeit Awai 01 aus dem Jahr 2018, in der er das Innen mit dem Außen verknüpft, Architektur mit Natur verbindet und den Betrachtenden die Möglichkeit des Alles-Sehens vermittelt. Schicht um Schicht wird aufgelöst und gibt den Blick bis ganz ins Innere frei. Das gilt vor allem für seine früheren Werken, in denen er sich noch stärker auf Architektur konzentrierte. Dadurch entstehen Zwischen- und Freiräume, die viel Platz für Imagination bieten.

© Mikiko Sato Gallery

© Mikiko Sato Gallery

Betrachtet man hingegen seine neueren Arbeiten, fällt auf: Hier wirkt alles ein wenig natürlicher, fließender, lebendiger. Und tatsächlich sind seine Inspiration, der Ursprung seiner Bilder, laut Galeristin Mikiko Sato unter anderem die japanischen Wälder gewesen. Zarte Äste, die sich in den Himmel ranken, durch deren Kronen ein sanftes Licht zu fallen scheint. Denn auch das ist Awai: Eine weitere Übersetzung bedeutet nämlich „blass“, „hell“ und „leicht“.

Mittelpunkt der ganzen Ausstellung in der Mikiko Sato Gallery sind, das kann man nicht von der Hand weisen, die drei meterlangen Stränge aus Papier, die nebeneinander an der hohen Wand hängen und sich auf den Boden der Galerie ergießen. Interwoven lautet ihr Titel. Im Gegensatz zu den anderen Arbeiten, die aus Ölfarbe auf Leinwand bestehen, nutzte der Künstler hier Acrylfarbe und vor allem auch Draht. Letzterer wächst wie kleine Pflanzen und Halme aus dem Papier heraus und vervollständigt das Bild des ohnehin schon Wuchernden und Lebendigen.

„Seine Inspiration dafür hatte er aus Deutschland“, verrät Mikiko Sato beim Anblick des großen Kunstwerks. „Aus den Wäldern in der Uckermark.“ Wer hätte das gedacht …


Awai : Resonanzraum – Kai Harada
7. November – 13. Dezember 2025

Mikiko Sato Gallery | Klosterwall 13 | 20095 Hamburg
Dienstag – Freitag 13-19 Uhr, Samstag 13-18 Uhr


Julia Mähl

Julia Mähl ist freie Journalistin und Fotografin und in den Bereichen Kunst, Theater und Stadtgeschehen zuhause. Die Wahl-Hamburgerin liebt das Schreiben – vor allem, wenn man dabei neue Dinge und Menschen kennenlernen kann. Sie hat ein Faible für gute Bars und Restaurants und ist immer bereit für das nächste Abenteuer. 

www.juliamaehl.de

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