ArtView mit Sonia González


© Porträt Noshe 2021

© Porträt Noshe 2021


Vielleicht ist Ihnen der Name unserer Gesprächspartnerin noch unbekannt, doch das wird sich jetzt spätestens mit unserem ArtView ändern. Das aber in die Potsdamer Villa Schöningen ein frischer neuer Wind eingezogen ist, haben bestimmt auch Sie schon bemerkt. Seit gut einem Jahr ist Sonia González die neue Direktorin der historischen Villa, seit kurzem auch ihre Geschäftsführerin. Lockdown und die damit verbundenen Schließungen haben ihr den Start sicher nicht leicht gemacht. 

Anfang Mai eröffnete bereits die zweite von González kuratierte Ausstellung mit Werken von Trulee Hall. Heilige Madonna oder provokative Hure – für lange Zeit die vorherrschenden Weiblichkeitsbilder in der Kunst. Die amerikanische Künstlerin hat diese auch in ihrer Videoarbeit Two Tongues Duel the Corn Whores, An Opera aufgegriffen, die im Rahmen der Ausstellung zu sehen ist und neben anderen Werken Halls einen gelungenen Dialog mit alten Meistern wie Albrecht Dürers Sündenfall und Edward Munchs Sünde aus der privaten Sammlung von Matthias Döpfner eingeht. Das Sonia González mit ihrer Kuration dabei auch gewohnte Sehgewohnheiten verändern will, macht die Ausstellung umso spannender.

Inzwischen ist die gebürtige Rheinländerin in ihrer neuen Heimat Potsdam angekommen, begeistert sich für die historische Kulisse und liebt die sie umgebende Natur, vor allem das Wasser. Wem kann man das schon verdenken, wenn man aus seinem Büro einen Blick über den Jungfernsee mit Pfaueninsel sowie dem Schloss Glienicke und Babelsberg hat. Hier, an der Glienicker Brücke und direkt an der Villa Schöningen, wurde Ost-West-Geschichte geschrieben. Für Sonia González sind dies wichtige Ausgangspunkte für ihre Arbeit und bewogen sie auch, die Leitung der Villa zu übernehmen und ihr in diesem Kontext, auch zur Großstadt Berlin, ein neues eigenes Gesicht zu geben, ohne die Geschichte auszublenden. Ihr Ziel ist es, dass „Louisiana Museum“ Potsdams zu werden.

Kunst denkt Sonia González dabei groß und in ihrer ganzen Vielfalt. Ihre ersten Zugänge zur Kunst fand sie durch die Inspiration einer Lehrerin im Tanztheater bei Pina Bausch. Eine Welt, die sie beeindruckte und in der man schnell über Yvonne Rainer auch den Zugang zu Werken von Bruce Naumann und der zeitgenössischen Kunst findet. In Hamburg studiert sie dann später Kunst bei Thomas Demand und Michael Diers an der Hochschule für bildende Künste. Neben ihrem Studium, im Zweitfach übrigens Biologie, arbeitete González im Museum für Kunstgewerbe aber auch für verschiedene Projekte im Museum für Hamburger Geschichte. Erfahrungen, die ihr heute für ihre Arbeit in der historischen Villa Schöningen zugutekommen. Ihr Abschluss war für sie selbst nie die logische Konsequenz, danach als Künstlerin zu arbeiten.


© Sonia González

© Sonia González

© Villa Schöningen

© Villa Schöningen

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© PAJO ONE

© PAJO ONE


Ihr Weg führte Sonia González zurück nach Köln zur Galerie Thomas Zander, die auf konzeptuelle Fotografie wie Diane Arbus, Candida Höfer oder Lothar Baumgarten spezialisiert ist. Dort betreut sie neben dem Galeriealltag die Publikationen der Galerie. „Ausstellungen im Buch“ nennt sie Sonia González und liebt diese Art der Kuration besonders. Ermöglicht sie doch eine besondere Form der Abstraktion der Bildsprache und Offenheit für neue Formen und Sichtweisen gegenüber einem begehbaren Raum. So verwundert es auch nicht, dass Sonia González eine Liebhaberin gut gemachter Kunstbände ist.

Im letzten Jahr folgte dann überraschend der Ruf aus Potsdam, wollte die ehemalige Galerieassistentin doch eigentlich erst einmal ihrer Heimat treu bleiben. Die Möglichkeit, hier frei arbeiten zu können und das besondere Haus mit seinem schönen Garten und seiner Lage reizten sie im besonderen Maße. Nach zehn Jahren erfindet sich die Villa Schöningen nun mit ihrer jungen Direktorin neu. - Als Ausstellungshaus mit Blick aufs Wasser und einem anderen Modi für Besucher, als man ihn sonst kennt. 

Während unseres Gesprächs schwärmt Sonia González bereits von der hohen Lebensqualität ihrer neuen Heimat Potsdam und ihrer Vorfreude darauf, die Stadt und ihre Bewohner, aber auch Kollegen nach den anstrengenden Zeiten des Lockdowns noch näher kennenzulernen. Immer wieder berührt sie, wie emotional verbunden die Potsdamer mit der Villa Schöningen sind. Im Übrigen kann es auch schon mal passieren, dass Sonia González lächelnd neben Ihnen in der Ausstellung auftaucht oder bei einem Kaffee auf der Terrasse des von Pedales betriebenen Cafés neben Ihnen sitzt und so ganz nebenbei von der neuen Eventserie Aperol`n Art berichtet oder aber von den geplanten Private Tours mit kleinem Frühstück am Sonntag morgen. - Sie sehen schon, es ist viel los in der Villa Schöningen!

Doch wir wollen zunächst noch mehr über Sonia González erfahren, die Quellen ihrer Inspiration und Kraft kennenlernen. Dafür ziehen wir uns in ihr Büro mit dem phänomenalen Ausblick zurück und sind gespannt…

© Museum Hombroich

© Museum Hombroich

Museum Insel Hombroich. Kunst parallel zur Natur. Das Motto von Museum Insel Hombroich, entstanden in Anlehnung an eine Äußerung von Paul Cézanne, Kunst sei eine Harmonie parallel zur Natur, kennzeichnet den Entwurf eines musealen und landschaftlichen Idealraums. Die Gleichsetzung von Kunst und Natur begeistert Sonia González und zeigt Parallelen zur Villa Schöningen. 

© Sonia González

© Sonia González

Bücher. Für die Planung ihrer Ausstellungen greift Sonia González gerne auf Kunstbände aus ihrem Bücherregal zurück. So kam auch ihr auch die Idee zur Gegenüberstellung der Alten Meister in der aktuellen Ausstellung von Trulee Hall. Zudem besitzt sie auch einige alte Ausgaben des Schweizer Kulturmagazins DU, in denen sie immer wieder gerne blättert. Sie entdeckte alte Ausgaben aus den 50er und 60er auf einer Haushaltsauflösung und ist seitdem fasziniert von der Typographie, der Werbung sowie Zeitlosigkeit einzelner Artikel im Vergleich zu anderen.

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Pina Bausch. Wie bereits erwähnt, hat das Tanztheater von Pina Bausch Sonia González in ihrer Wahrnehmung von Tanz und der Komplexität von zeitgenössischer Kunst sehr geprägt. Bauschs Verknüpfung von poetischen und Alltagselementen beeinflusste entscheidend die internationale Tanzentwicklung. «Mich interessiert nicht, wie die Menschen sich bewegen, sondern was sie bewegt.», sagte Pina Bausch einmal und irgendwie trifft dieser Leitsatz auch auf Sonia González zu.

Postkarten aus Harald Szeemanns Sammlung pataphysischer Materialien

Postkarten aus Harald Szeemanns Sammlung pataphysischer Materialien

Ausstellungsbesuche jeglicher Art, ob Off Space, Galerien und Biennalen, inspirieren die Direktorin der Villa Schöningen natürlich wie alle Ausstellungsmacher besonders. Sie freut sich jetzt schon wieder auf das Reisen zur Kunst wie zur nächsten Biennale. Als nachhaltig beeindruckend und fest in ihrer Erinnerung verankert, empfand Sonia González den Besuch die Retrospektive von Harald Szeemann in Zürich, den sie selbst für einen der außergewöhnlichen Kuratoren hielt und noch heute spannend findet.

© PAJO ONE

© PAJO ONE

Potsdam. Die Stadt am Wasser. Jeder Weg innerhalb der Stadt führt dorthin. Gerne nimmt Sonia González auch an einem langen Tag ein kurzes Bad im Jungfernsee, um den Kopf wieder klar zu bekommen und sich zu fokussieren. Da können die Temperaturen auch gerne noch etwas kühler sein und selbst ihre Assistenz kann sich dem nicht entziehen.

© PAJO ONE

Sacrower Kirche. Ein Gefühl von Italien und Urlaub überkommt Sonia González bei ihrem Anblick und einen großen Respekt vor der Idee der Anlage Lennes mit ihren zahlreichen Sichtachsen zu den benachbarten Parkanlagen auf der anderen Seenseite. Die aufgrund ihrer Lage und ihres Stils außergewöhnliche Kirche entstand 1844 als sakrales Gebäude im italienischen Stil mit freistehendem Campanile nach Zeichnungen, die Friedrich Wilhelm IV. selbst entworfen hatte. Die Kirche ist aber auch ein wichtiger zeitgeschichtlicher Ort. - Ein zeitweises Niemandsland ohne Zugang von Ost und West.

© Allstar/Universal

© Allstar/Universal

Jurassic Park. Gerade während der Pandemie musste Sonia González oft an ihren Lieblingsfilm von Regisseur Steven Spielberg denken. Dem Moment im ersten Teil, in dem sich die Natur trotz aller Wissenschaft und Beeinflussung durch den Menschen ihren ursprünglichen Raum zurückerobert. Obwohl oft belächelt, lehrt der Film zugleich auch eine Demut vor dem Leben, verrät mir Sonia González und ist doch auch schon irgendwie wieder Kunst.

© Sonia González

© Sonia González

Gespräche mit Freunden und Familie. Für alle Ausstellungsprojekte setzt sich Sonia González auch gerne mit ihrem Umfeld auseinander, beleuchtet ihre Idee von allen Seiten. Ihr Bruder ist ihr dabei ein guter und einer der liebsten Ratgeber. Die Kuratorin möchte Konzepte entwickeln, die alle ansprechen. Es geht ihr um ein Erleben von Kunst, für das man nicht unbedingt Kunstgeschichte studiert haben muss und das Schaffen von Räumen, in denen sich jeder wohlfühlt und die alles zulassen. 

Deshalb liebt Sonia González es auch, zusammen mit ihrer Assistentin Pola van den Hövel an Wochenenden den Counter der Villa Schöningen zu betreuen. - Um mit den Besuchern ins Gespräch zu kommen, ihre ersten Empfindungen und ein Feedback zu den von ihr kuratierten Ausstellungen zu erhalten und um neue Ideen für die Villa Schöningen zu entwickeln. Wir dürfen bereits jetzt gespannt sein! 

Vielen Dank für die Inspirationen und unser Gespräch, liebe Sonia González!


Villa Schöningen

Berliner Straße 86 / 14467 Potsdam
Freitags bis Sonntags 12-18 Uhr

www.villa-schoeningen.de


Anne Harting

Chefredakteurin und Herausgeberin

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