Galerie Watson – Durchsicht: Glas in Reflexion


Adolf Luther Hängelinse 1973 Durchsicht Glas in Reflexion Foto L.Harder, Courtesy Galerie Watson


Auch wenn sich ein Besuch in der Galerie Watson sicherlich zu jeder Tageszeit und Wetterlage lohnt, sind es doch gerade freundliche Nachmittage, die die Location wortwörtlich im besten Licht erstrahlen lassen.

Gerade dann scheint nämlich die Sonne durch die großen Fenster – und offenbart gleich das erste Highlight, dass auf einem Rundgang durch die aktuelle Ausstellung Durchsicht: Glas in Reflexion deutlich wird. Durch die Sonneneinstrahlung werden verschwommene Schatten auf den Boden der Galerie geworfen. Eben diese Schatten zeigen ein Abbild der Szenerie, die sich vor den Fenstern abspielt.

Ausstellungsansicht Galerie Watson - Durchsicht - Glas in Reflexion Foto L.Harder, Courtesy Galerie Watson

„Es ist eine ortsspezifische Installation, die oft erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. Die Künstlerin Leonie Harder hat den Ausblick aus genau diesen Fenstern fotografiert und auf Folie gedruckt, sodass die Realität sich mit dem Bild überlagert und beides miteinander verschmilzt“, erklärt Galeristin Alice Hinrichs. Ein Kunstwerk, an dem vielleicht erstmal viele vorbeigehen, das aber spätestens nach seiner Entdeckung einen echten Überraschungseffekt birgt.

Leonie Harder ist eine von drei Kunstschaffenden, die aktuell ausgestellt werden – aber die erste lokale Künstlerin, mit der Alice Hinrichs in ihrer Galerie Watson zusammenarbeitet. Mit dabei sind außerdem das in London lebende Künstlerduo Shuster + Moseley, bestehend aus Claudia Moseley und Edward Shuster sowie der 1990 verstorbene Künstler Adolf Luther.

Letzterer gilt als Pionier der Lichtkunst und war für Alice Hinrichs der Aufhänger für diese Ausstellung. „Ich wollte etwas zu den Werken von Adolf Luther in Bezug auf Glas machen – unter anderem, weil ich das Material so spannend finde. Doch schlichtweg Glas-Kunstwerke zu zeigen, schien mir zu simpel. Also dachte ich mir: Warum nicht eine Ausstellung kreieren, die vielmehr die metaphorischen und poetischen Komponenten beleuchtet?“, so Hinrichs. „Glas hat diese wahnsinnig schöne Dualität: Einmal ist da die Trennung zwischen innen und außen. Doch auf der anderen Seite kann es vermitteln, man kann hindurchblicken.“

In jedem Raum der Galerie treten alle drei künstlerischen Positionen in einen Dialog miteinander. Besonders bemerkenswert ist dabei: Obwohl Shuster + Moseley den Künstler Adolf Luther nie persönlich kannten, verfolgen sie überraschend ähnliche Ansätze. Das Duo stammt aus dem akademischen Kontext und nutzt zeitgenössische Kunst – insbesondere Glas – als Medium, um das Bewusstsein zu erweitern und die Wahrnehmung herauszufordern. Genau dieses Anliegen stand bereits im Zentrum von Luthers Arbeiten aus den 1960er- und 1970er-Jahren.

Ausstellungsansicht Shuster + Moseley Twiling Language Durchsicht - Glas in Reflexion Foto L. Harder, Courtesy Galerie Watson

Deutlich sichtbar wird das im ersten Raum, denn dort hängt sowohl die große Hängelinse von Luther aus dem Jahr 1973 als auch die drei Hängelinsen von Shuster + Moseley von 2021. Nur wenige Schritte weiter befindet sich dann die älteste Arbeit der Ausstellung: 49 Linsen, gewonnen aus Overhead-Projektoren und in einem Quadrat 7x7 angeordnet von Adolf Luther. Steht man ihnen gegenüber, so kann man sowohl Teile von sich als auch den Raum dahinter betrachten. Ab einer bestimmten Distanz dreht sich das Bild jedoch und wird beim Näherkommen auf den Kopf gestellt – dafür sorgt ein Spiegel, den Luther dahinter eingebaut hat.

Verteilt in der Galerie finden sich außerdem Unikat-Prints von Shuster + Moseley, auf denen ihre Experimente und zufällige Lichtergebnisse festgehalten wurden. „Die beiden fanden es immer wieder schade, dass mit dem Abbau ihrer Installationen auch die Lichter verschwanden“, erklärt Alice Hinrichs. „Deswegen beschlossen sie, das Ganze fotografisch festzuhalten – wenn auch nur ein einziges Mal, als Unikat gedruckt.“

Apropos gedruckt: An den Wänden der Galerie Watson hängen nicht nur die Prints des Londoner Duos, sondern auch Leonie Harders Serie OutSight. Sie zeigt darin Glas im übertragenen, eher poetischen Sinne, und fotografiert Fenster-Ansichten: zum Beispiel im Berliner Naturkundemuseum, an der Övelgönne in Hamburg oder im Hamburger Bahnhof in Berlin.

Leonie Harder - Hamburger Bahnhof, Durchsicht - Glas in Reflexion Foto L. Harder, Courtesy Galerie Watson

Leonie Harder - Naturkundemuseum, Durchsicht - Glas in Reflexion Foto L. Harder, Courtesy Galerie Watson

Die wohl größte Überraschung der Ausstellung erwartet Besucher dann aber im letzten Raum. Er wurde von Alice Hinrichs komplett abgedunkelt und zeigt in der Mitte eines von zwei in der Galerie ausgestellten Mobiles von Shuster + Moseley: Angestrahlt durch LEDs werfen die Linsen ihr Licht an die Wand und die Decke. Dabei entsteht eine ganz eigene Energie, die, vor allem, wenn die Linsen in Bewegung sind, organisch und fast wie Wasser an den Projektionsflächen entlangfließen.

„Diesen Raum nutze ich immer für große Installationen“, so die Galeristin. „Ich möchte den Besucherinnen und Besuchern damit beweisen, was in der Lichtkunst alles möglich ist und den Menschen, die sich öfter meine Ausstellungen ansehen, mit jedem Mal eine kleine Tür in eine andere Welt öffnen.“


Durchsicht: Glas in Reflexion
22. Mai – 6. September 2025

Galerie Watson | Milchstraße 2 | 20148 Hamburg
Donnerstag und Freitag 14-18 Uhr und nach VereinbarungSommerferien (Hamburg): ausschl. nach Vereinbarung


Julia Mähl

Julia Mähl ist freie Journalistin und Fotografin und in den Bereichen Kunst, Theater und Stadtgeschehen zuhause. Die Wahl-Hamburgerin liebt das Schreiben – vor allem, wenn man dabei neue Dinge und Menschen kennenlernen kann. Sie hat ein Faible für gute Bars und Restaurants und ist immer bereit für das nächste Abenteuer. 

www.juliamaehl.de

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