Rosa – Vom Zauber einer Farbe



Jörg Vedder überrascht mit einem kulturkritischen Porträt unserer eigenen Sehgewohnheiten und Wertungen, indem er mit feiner Beobachtungsgabe und einem ausgeprägten Gespür für kulturelle Zusammenhänge die Geschichte einer Farbe erzählt, die lange Zeit belächelt, unterschätzt oder allzu schnell bestimmten Klischees zugeordnet wurde. Er schreibt elegant und kenntnisreich, seine Sprache ist klar, sein Blick überraschend und tiefgründig.

Rosa – Vom Zauber einer Farbe ist keine trockene Farblehre, sondern eine vielschichtige kulturphilosophische Erkundung, die von der Mode bis zur Philosophie, von der Kunstgeschichte bis zur Popkultur reicht. Rosa wird dabei zum Symbol für Wandel und Widerstand, für Verletzlichkeit und Stärke zugleich. Wer dachte, Rosa sei lediglich die Farbe der Barbies und Bonbons, wird hier eines Besseren belehrt. Vedder schafft es, das scheinbar Banale in etwas Magisches zu verwandeln, ohne je ins Pathetische zu verfallen.

Das Buch führt von der höfischen Mode des Rokoko über die symbolische Aufladung von Rosa in der bürgerlichen Gesellschaft bis hin zur queeren Subkultur, zur Popkultur der Gegenwart und zur Frage, wie Rosa heute als Zeichen von Widerstand, Ambivalenz oder bewusstem Stilbruch gelesen wird. Vedder schildert, wie Rosa im 20. Jahrhundert zur vermeintlich „weiblichen“ Kinderfarbe wurde, wie sie im Nationalsozialismus zur Stigmatisierung diente und später von marginalisierten Gruppen neu besetzt wurde.

Maler sahen im Rosa die Fleischwerdung des Geistes. Madame Pompadour machte die Farbe als Erste zum Symbol selbstbewusster Frauen. Dichter hüllten Liebespaare in rosa Wolken, um sie vor der Grausamkeit der Welt zu schützen. Später ging die Farbe vor die Hunde, wurde mit Mamie Eisenhower zur Chiffre konservativer Hausfrauen und spätestens mit Barbie zum Farbpigment des grenzenlosen Plastikkonsums.

Dabei geht es Jörg Vedder nicht allein um historische Fakten, sondern immer auch um die Frage, was Farben über unser Denken und unsere gesellschaftlichen Ordnungen verraten. Es ist reich an kulturgeschichtlichen Anekdoten und Denkansätzen, etwa wenn Rosa als die „vergessene Schwester des Rot“ beschrieben wird oder wenn Vedder der Frage nachgeht, warum Rosa in der Moderne oft mit Kitsch und Oberflächlichkeit verbunden wurde.

Rosa – Vom Zauber einer Farbe ist kein reines Kunstbuch, kein kulturhistorisches Kompendium und kein philosophischer Traktat – und doch ist es all das zugleich. Es verführt durch seine Gestaltung, überzeugt durch seine Argumentation und inspiriert durch seine Perspektivwechsel. Wer glaubt, Rosa zu kennen, wird bei Vedder viele neue Facetten entdecken. Es ist ein Buch, das Augen öffnet und Lust macht, Rosa neu zu sehen. Ein Must-read für alle, die Schönheit mit Geist verbinden möchten.




Björn Vedder
Rosa – Vom Zauber einer Farbe

HarperCollins
20 Euro


Anne Harting

Chefredakteurin und Herausgeberin

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